Archiv der Kategorie: Erlebnisse / Encounters

Menschen, Orte und Erfahrungen

Champagne Reef, Dominica (29.12.2014)

Dominica ist die bisher schönste Insel, die wir in der Karibik finden konnten. Über die Erlebnisse oberhalb des Meeresspiegels hat Mina schon in Ihrem Artikel berichtet. Darunter ist es genauso gut. Eine Schnorchelei im Champagnerglas.

Wie im Champagnerglas steigen aus dem heißen Boden Blasen auf. Nur riechen sie nicht so gut.

Wie im Champagnerglas steigen aus dem heißen Boden Blasen auf. Nur riechen sie nicht so gut.

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Karibischer Charme am Fuß des Mt. Pelée: St. Pierre (Martinique), 27.12.2014

Eine Phoenix-Verdienstmedallie wird St. Pierre wohl nicht erhalten. Nachdem der Mt. Pelée mit einer Explosion 1902 die alte Inselhauptstadt ausgelöscht hatte, wurde das „Paris der Karibik“ als ein morbides Fischerstädtchen bedeutend kleiner neugeboren. Wir ankern unter den von Urwald bedeckten Klippen und einem wohligen Mischmasch aus alten und neuen Ruinen sowie den aktuellen bunten karibischen Häusern. Zum ersten Mal haben wir den Eindruck, so richtig auf Reisen zu sein.

Ein Blick auf den Südteil der Stadt St. Pierre

Ein Blick auf den Südteil der Stadt St. Pierre

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Anse St. Anne, Martinique: Mein Geburtstag

Was für ein Tag! Ich hatte mir zwar ein Geburtstag auf Galapagos gewünscht, doch das war schon aufgrund der Zyklon-Saison im Pazifik nicht machbar. Statt dessen eine Party in der Bucht von St. Anne. Mit dreizehn Kindern aus aller Welt und später einer Spontanparty für die Erwachsenen.

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Petit Anse d’Arlet, Martinique: Der Tanz mit dem Feuerfisch

„Relax, you are not going to die. But you’ll wish that you would“
„If you live thru it, say „Hi!“ to the next Lionfish you spear“

Treating a Lionfish Sting, Website of Lionfish-Hunters

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Impressionen der Atlantic Odyssey 2014

Vorbereitungen in Arrecife (Lanzerote)

Alltag an Bord

Angeln auf hoher See

Schöne Momente

 

Land in Sicht

Heute, am 08.12.2014 gegen 07:15 UTC sehen wir die ersten Lichter
Martiniques!

Nach einem weiteren spektakulären Sonnenaufgang fahren wir unter Motor
durch die Flaute gen Le Marin.
Die nächsten Stunden werden wir mit der Vorbereitung des Landfalls
verbringen. Festmacher vorbereiten, Fender aus den tiefsten Löchern
kramen, den Hafen informieren, Aufräumarbeiten etc. Also ein paar
arbeitsreiche Stündchen.

Dann zum Zoll, um uns anzumelden. Janne wird uns fluchtartig verlassen,
da er einen Flug nach Barbados erwischen will, wo er noch Freunde
trifft. Wir hatten den größten Spaße mit dem Junge (44J) von Aland und
freuen uns schon auf ein Wiedersehen in Thailand oder auf den Alands in
einigen Jahren.

Ingo wird noch ein paar Tage an Bord bleiben und Martinique genießen.

So, jetzt geht es an die Arbeit. Mehr dann nach dem erfolgreichen Landfall.

Alle sind ein wenig elektrisiert. Mina ist glücklich, der Skipper auch 😉

Bücher: keine Zeit
Musik: The Dresten Dolls, First Orgasm in the Morning

Atlantiküberquerung (07.12.2014): Zielpsychose und die Rückkehr des Konjunktivs

Endlich ist sie da, die Flaute. Wir hatten schon begonnen, an den
Wettermodellen zu zweifeln. Nun ist also unser Glaube an die vermutlich
sündhaft teuren Wetterprognosen gestärkt, aber wir stecken im Leichtwind.
So kurz vor dem Ziel.
Schon besuchen uns die ersten braunen, kleinen Vögel, nachdem wir bisher
nur weiße große gesehen haben. Finkenartig flattern sie um unser Boot.
So nach am Ziel.
Schon meinen die ersten von uns, zwischen dem Seetang auch Gras treiben
zu sehen.
Wir sind fast da.
Verdammt. Warum jetzt Schwachwind? Auch auf den Positionsreports sieht
es so aus, als würden uns Hinz und Kunz überholen.
Riecht schon jemand die Coladas?

Kein Zweifel, wir leiden unter Zielpsychose. Meist zeigt sie sich als
eine Form der bipolaren Depression mit einigen heftigen
Wahnvorstellungen. Bei denen, die das ganze schon mal durchgemacht haben
(Ingo, Fritze) verläuft es etwas glimpflicher. Heide ist ohnehin
entspannt und symptomfrei. Aber Mina hat sich schon so auf die Ankunft
gefreut. Und Janne will auf Barbados Freunde treffen. Nichts macht die
Psychose schlimmer als die Aussicht auf einen einmaligen Termin (wie
gute Freunde auf Barbados treffen). Die Persönlichkeit schwankt von
Freude, Optimismus und Euphorie in Richtung Depression und Verzagtheit.
Minütlich, mit jeder Regung des schlaffen Windes. Mit jeder Veränderung
seiner Geschwindigkeit oder des Winkels. Aber er schlägt sich wacker und
bleibt der angenehme Typ den wir kennen und lieben gelernt haben.

Ich fühle mich sehr an die letzte Querung erinnert, als mich das gleiche
Schicksal ganz ohne Terminaussichten traf. Man war so kurz vor St.
Lucia. Und nun wollte dieser unfähige Skipper auch noch eine komplexe
Halse machen, nur damit er Martinique ausweichen konnte. Landmassen sind
doch vollkommen überbewertet. Denkt denn niemand an mich? Ich brauchte
dringend WLAN und ein Drink und festen Boden unter den Füßen. Tja. So
trifft es vermutlich die meisten. So kurz vorm Ziel.

Aber es gibt eine weitere Wendung. Mina, die unser ruhrgebietstypisches,
schnörkelloses Deutsch gewohnt ist, verdreht die Augen ein ums andere
Mal. Der Konjunktiv ist da. Und zwar I und II. Mit allem drum und dran:
Modalverben, die gern auch ein Voll- UND ein Hilfsverb dabei hatten.
„Wären wir früher gen Süden gefahren, könnten wir nun vermutlich zwei
Knoten mehr aufs Ziel schaffen“.
„Wir hätten anluven können. Wir würden dann wohl kaum in der Flaute sitzen“.
Hätte, hätte, Herrentoilette. Oder auch „Could have, would have, should
have“ (übrigens ein schönes Zitat aus meinem Viertlieblingsfilm
„Zombieland“)

Nun, wir Erwachsenen erfreuen uns am neuen Sprachstil, Mina rollt mit
den Augen und will Iceage 3 sehen.
„Mama, darf ich?“
„Hätten wir nicht so viel Strom gespart, wäre nun die Batterie des
Notebooks knackvoll. Also: Nein.“
Augenrollen.
„Wie stehts mit dem iPad? Zocken?“
„Wäre Dein Vater so klug gewesen, die Karibik-Karten für unser Navi zu
kaufen, würdest Du in naher Zukunft auf dem iPad spielen können.“
Hat er aber nicht, so brauchen wir das iPad für die Anfahrt der Inseln.
Mehr Augenrollen.
„Nun gut, zum Glück wurde ein weiteres iPad gekauft, so stünde einem
fröhlichen Spiel nichts entgegen. Aber es wurde ja am Strom gespart, um
noch mehr Diesel zu haben, was uns in der Zukunft mehr Optionen böte.“
Mina geht mit den Mäusen spielen.
Die Biester hat sie selbst gefüttert und die sind ohne Batterie
einsatzbereit.

Tatsächlich könnte dieser Beitrag unter Einfluss einer Zielpsychose
geschrieben worden sein, der Autor wäre dann geistig beschränkt und den
Worten wäre kein Glauben zu schenken.

Allen geht es gut, wir freuen uns auf den Landfall.

Buch: Schülerduden Grammatik
Musik: The Residents

Atlantiküberquerung (02.12.2014 – 06.12.2014): Flaute? Welche Flaute?

Seit sieben Tagen zeigt uns die Wettervorhersage, dass wir ab dem 45.
Längengrad in einer Flaute stecken müssten. Was haben wir uns für
Gedanken gemacht: So kurz vorm Ziel nochmal im Schwachwind dümpeln? Mit
Martinique im Blick verhungern und verdursten, weil die Vorräte nicht
reichen? Wir haben die Dieselprognosen dreifach gecheckt. Wir haben die
Tankanzeigen befragt und letztendlich die Betten ausgebaut um zu sehen,
wie weit wir unter Motor wirklich fahren könnten (dabei hat sich
gezeigt, dass die von uns verwendete Prognosemethode etwas zu
konservativ ist; wir hatten mehr Diesel als gedacht). Wir haben den
Energieverbrauch drastisch reduziert. Die Selbststeueranlage nutzen wir
nur im Notfall, der Inverter ist aus. So werden die Elektrogeräte nur
kurzzeitig am Tag geladen. Und das restliche Fleisch haben wir aus der
Tiefkühltrue ins Eiswürfelfach gelegt, um die Truhe vom Netz zu nehmen.
So sparen wir und Diesel, da unsere Solarzellen für die Versorgung
ausreichen.

Und dann kam sie nicht. Die Flaute. Jeden Tag, an dem wir neue
Grib-Daten (so heißen Wetterberichte heute unter Seglern) laden,
begleitet uns der Wind ein wenig länger. Aber morgen wird sie kommen.
Und am nächsten Tag? 13 Knoten Wind.

Heute, am Nikolaustag, rasen wir mit über sieben Knoten hart an einem 15
Knoten-Wind direkt auf Martinique zu. Es sollte Flaute herrschen. Heide,
die Chef-Navigatorin sagt noch ca. 29 Stunden bei aktueller
Geschwindigkeit voraus. Es sind deutlich unter 250 SM bis zum Ti-Punsh
unter karibischen Palmen. Jetzt haben wir Blut geleckt. Ganz auf die
Sicherheit verzichten wir nicht: Sind wir in den letzten Tagen noch mit
unserem improvisierten Mast und dem ebenfalls improvisierten Code-Zero
(ein sehr leichtes Schwachwindsegel) gefahren, haben wir nun mit der
Genua ein stärkeres Segel gesetzt. Wir kommen näher an den Wind und
riskieren nicht, dass uns eine der nun häufigen Regenfronten das Rigg
zerreist. Aber es ist noch immer ein Ritt. Die Wellen hatten nicht genug
Raum, um aus der neuen Windrichtung Höhe aufzubauen. Alytes hoppelt mit
gewisser Leichtigkeit über die Ein-Meter-Hügel. Unter Deck ist es bei
den hier herrschenden feuchten 30°C schon etwas mulmig. Auch uns nun
eingeschworene „Crossing-Crew“. Mina und Heide sehen sich trotzdem unter
Deck ein Film an. Chapeau.

Die Nächte sind in den letzten Tagen hinreißend. Nach täglichem
Dämmerungsfeuerwerk segeln wir unter einem vollen Mond durch helles
Zwilicht. Wann immer die Wolken auf dem Rückzug sind, explodiert der
Himmel mit Sternbildern und Meteoriten. Wir steuern meist in kurzer Hose
und T-Shirt. Nur die Weste muss natürlich sein, und die Pickleine
verbindet die Wachhabenden in der Nacht mit dem Boot. Denn wenn hier
einer über Bord geht, merkt der Rest der Crew es vermutlich erst drei
Stunden später.

Das Meer ist nun voll treibenden Seetangs. Gelblich-braune Teppiche
schweben im tiefen Blau. Zum Teil werden sie so dicht, dass unsere Angel
ein Sträußchen einfängt. Leider finden sich kaum Fische, die auf diesen
Köder anbeißen. Entsprechend haben sich unsere Erfolge auf dem Gebiet
reduziert (Wir haben ohnehin noch genug Fleisch an Bord). Auch Alytes
fängt ihren Teil. An den Rudern haben gestern große, buschige Nester
gebildet. Uns ist das aufgefallen, da das Steuer schwergängig wurde. Ein
paar Bilder mit der Unterwasserkamera von der Badeplattform aus brachten
Gewissheit. Also beigedreht, Taucherbrille auf und wieder mal bei über
5.000 Meter Wassertiefe schwimmen gehen. Das Wasser ist bei 27 °C, macht
also Spaß. Und die 4,5 Meter Welle bei vier Knoten Fahrt vom letzten Mal
hatten wir auch nicht (Oups, jetzt habe ich micht verplappert. Die
Geschichte wollte ich eigentlich gar nicht schreiben ;-).

Die Crew ist nun optimal einespielt. Wir essen gut und viel (bis auf
Janne, der will seine Frau mit einem noch härteren Körper überraschen),
aben alle Probleme im Griff und sind insgesamt guter Dinge. Zur Zeit
lachen wir vor allem darüber, wie uns die abstrakten und gelegentlich
willkürlichen Wetterdaten in emotionale Extreme bringen. Mir ist nun
klar, wie das Orakel von Delphi funktionierte. Mina hat exorbitant coole
Nikolaus-Geschenke gebastelt. Alle haben stinkige Segelschuhe voll m&ms
bekommen (die dann verstohle ins Wasser geworfen wurdne, da die
Geschmacksrichtung „Käsefuß“ nicht so angenehm schmeckt) und Mina steht
jeden Morgen mit Ingo und Mir vor Sonnenaufgang auf um den
Adventskalender zu prüfen.

Uns fehlen zum kompletten Glück also nur noch ein paar Wale. Und dann
Land in Sicht.

Buch: Zaubern für Dummies, Teubner: Fish und Meeresfrüchte
Musik: David Bowie: Best of Bowie