Reise zwischen den Ozeanen: Der Panamakanal (28.03.2015 – 29.03.2015)

„Another day, another ocean“
– Darren, der Mann aus Manchester der einfach nur nach Neuseeland wollte

Wir hatten uns für einen Transfer durch den Kanal ohne Agenten entschieden. Die Organisation der Kanaldurchfahrt ist tatsächlich vollkommen einfach. Am 28.03.2015 fahren wir dann endlich durch in die erste der drei Gatun-Schleusen.

Die ganze Crew im Kanal (v.l. Lucas, Heide, Edward (Advisor), Mina, Abdel (Linehandler), Fritze und Esteban)

Die ganze Crew im Kanal (v.l. Lucas, Heide, Edward (Advisor), Mina, Abdel (Linehandler), Fritze und Esteban)

Der Kanal war unser eigentliches Ziel und zwischen ihm und uns lagen für ganze zehn Tage Arbeiten an Alytes und die Bürokratie Panamas. Die gute Nachricht war, dass unsere beiden Mitsegler um den 25.03. ankommen wollten.

So haben wir zunächst das Boot auf Land gebracht und fällige Prüfungen und Reparaturen gemacht und machen lassen. Ein neuer Antifouling-Anstrich, eine Prüfung (inkl. Tuning) des Riggs, die Motorenwartung, Reparaturen an einigen Edelstahlteilen, Flicken des Lazybags und kleinere Schönheitskorrekturen an unserer Altytes. Während dieser Tage blieben wir an Bord und erlebten eine kurze Landratten-Renaissance. Heide poliert die Propeller auf Hochglanz, Mina baut ein Verkehrslenksytem für die Blattschneiderameisen (die in direkter Nähe mehrere „Autobahnen“ ins Gras getrappelt haben) und ich fahre zwischendurch als Linehandler auf einem anderen Katamaran durch den Kanal, um ein Gefühl für die Prozedur zu bekommen. Gleichzeitig fuhren wir sage und schreibe vier mal in die Innenstadt von Colon um unsere Einreise offiziell zu gestalten. Langwierig und teuer wars.

Bereit für Galapagos: Sonni zeigt, das sie zertifiziert gesund ist

Bereit für Galapagos: Sonni zeigt, das sie zertifiziert gesund ist

Am 23.03. wurde die Dame wieder ins Wasser gelassen und wir waren bereit, sie am 24.03. durch die Kanalbehörde vermessen zu lassen. Aus welchen Gründen auch immer ist das auf dem Trockenen nicht zulässig. Hätten wir’s gewusst, hätten wir den Termin wohl vor dem Kranen gemacht, um direkt durch den Kanal zu können. So verloren wir nochmals drei Tage. Aber es ging gut und schnell über die Bühne. Einige Fragen zur Gesundheit der Crew, die Inspektion der Toiletten und zweimal das Maßband angelegt. Nach etwa zwanzig Minuten war der Vermesser wieder von Bord. Wir fuhren direkt ein weiteres Mal nach Colon, diesmal um die Kanaldurchfahrt zu bezahlen. Ohne die Zahlung gibt es keinen Termin. Wir haben, auch wegen der Ankunft unserer Gäste, einen Termin für den 28.03. gewünscht und bekommen.

Unsere Mitsegler Esteban und Lukas kamen am 25.03. glücklich und nach langer Reise bei uns an. Wir feierten mit einem kleinen Essen im Hafenrestaurant und ein paar Kaltgetränken. Die beiden haben sich von der ersten Minute perfekt ins Bordleben eingefügt und sind eine echte Bereicherung für unsere kleine Crew.

Am 28.03., nach einigen letzten Arbeiten an Bord, werfen wir gegen 14:00 Uhr endlich die Leinen los und fahren unter Motor in Richtung der „Flats“ – dem Ankerplatz in der Bucht von Colon, an dem wir unseren „Advisor“ erwarten. Die Adviser sind eine Light-Version der Lotsen auf großen Schiffen. Sie sagen was zu tun ist, kommunizieren mit den „Lockmastern“ (hört sich besser als unser deutscher Schleusenwärter an) und den Kollegen, die für uns die Leinen an den Schleusenwänden befestigen. Gegen 16:00 Uhr kommt Edward an Bord: Ein freundlicher Kerl finnischer Abstammung. Wir gehen die Prozedur in den Schleusenkammern nochmals durch (hier war ich sehr froh, dass ich schon einmal „geübt“ habe) und legen die Verantwortlichkeiten fest. Wir werden wohl an einer 15 Mio. USD Motoryacht festmachen, um dann nochmals ein kleineres Boot an unserer Seite zu befestigen. Die Jungs von der Motoryacht sind davon nicht sehr begeistert, beruhigen sich aber als sie sehen, dass wir unser Boot gut im Griff haben und ihrs nicht versenken.

Nach dem das Prozedere geklärt ist, fahren wir auf dieses außergewöhnliche Bauwerk zu. Es verbindet zwei Ozeans, es teilt den amerikanischen Kontinent, es funktioniert auch nach über einhundert Jahren mit größtenteils originaler Technik und es ist wohl das erste Bauwerk, das direkt zu einem neuen Staat geführt hat: Panama.

Die USA hatten sich nach zwei französischen Fehlversuchen die Rechte am Kanalbau sichern wollen. Die Franzosen wollten – nach dem Vorbild von Suez – einen Kanal auf Meeresspiegelhöhe bauen. Dabei hatten sie die notwendigen Grabungsarbeiten und die resultierende Strömung zwischen den beiden Ozeanen (bis zu sechs Knoten) unterschätzt. Man ging zweimal bankrott.

Die Region gehörte damals zu Kolumbien und in Bogota hatte man verstanden, dass die ursprünglich mit den Franzosen ausgehandelten Konditionen vermutlich zu eigenen Gunsten verbessert werden könnten. Roosevelt wollte diese Nachforderungen nicht akzeptieren.

Die junge Macht Amerika zeigte nun, kurz nach Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, außenpolitische Muskeln und wenig Kompromissbereitschaft:

Man trat mit der Provinz Panama in Kontakt, wies auf die sehr kleine Garnison kolumbianischer Soldaten hin (nur 100), versprach einen langlaufenden Vertrag mit einem neuen souveränen Staat Panama und sendete zur moralischen Unterstützung ein Kanonenboot in die Bucht von Kolon. Der „Befreiungskampf“ dauerte nicht lang und schon hatte sich Amerika die Vorherrschaft am Kanal zu günstigen Konditionen gesichert. Der Staat Panama war geboren. Ein Schelm, wer nun Parallelen zur aktuellen russischen Politik in der Ukraine sehen würde.

Aber nicht nur historisch/politisch ist der Kanal interessant. Wir fahren langsam an den hohen, genieteten Stahltoren der ersten Gatun Schleusenkammer vorbei. Originale aus dem Jahr 1913. Nur die Zahnradantriebe der Kolosse sind durch Hydraulik ersetzt worden.

Die Tore der Gatun-Schleuse; hundertjähriger Stahl, Nieten statt Schweißnähte

Die Tore der Gatun-Schleuse; hundertjähriger Stahl, Nieten statt Schweißnähte

Vor uns zwängt sich ein unbeladener Frachter zwischen die Schleusenwände.

Vor uns die "Pacific Reefer", neben uns die 15 Mio. Tweener. Der Skipper ist in der ersten Schleuse noch etwas nervös am Steuer

Vor uns die „Pacific Reefer“, neben uns die 15 Mio. Tweener. Der Skipper ist in der ersten Schleuse noch etwas nervös am Steuer

Mit einem ohrenbetäubenden Klingeln (wir liegen direkt vor den Toren) schließt sich die Kammer. Die Wasseroberfläche beginnt zu brodeln, die Crew der Motoryacht kämpft darum das Boot von der rauen, hundertjährigen Schleusenwand freizuhalten. Das Wasser des Gatun-Sees ergießt durch Löcher im Boden sich in die  Schleusenammer und hebt den Frachter, die Motoryacht, Alytes und den Segler neben uns auf das Niveau der zweiten Kammer. Ohne Pumpen, nur mit Hilfe der Gravitation und dem Wasser des für diesen Zweck aufgestauten Stausees.

Über 100 Jahre Beton

Über 100 Jahre Beton

Büros gibt es hier an den überraschendsden Stellen

Büros gibt es hier an den überraschendsden Stellen

Mina weist den Weg

Mina weist den Weg

Das "raft" hinter uns: Jimmy Cornell hat die letzte Yacht der "Blue Planet Odyssey" eingepackt und schleust hinter uns durch

Das „raft“ hinter uns: Jimmy Cornell hat die letzte Yacht der „Blue Planet Odyssey“ eingepackt und schleust hinter uns durch

Das ganze wiederholt sich noch zweimal. Unsere „neuen Jungs“ und Abdel – der Linehandler aus Panama – machen einen prima Job an den Leinen.

Was für die Mädels: Abdel, unser Linehändler war schon Eyecandy...

Was für die Mädels: Abdel, unser Linehändler war schon Eyecandy. Das an der Hose ist Salzwasser. Geschworen.

Heide wirft auf jeden Handgriff einen hilfreichen zweiten Blick und ich versuche einfach, das Boot sicher in die jeweils nächste Kammer zu bringen und die Motoryacht so anzusteuern, dass wir unsere Versicherung nicht um fünf Millionen Euro bitten müssen. Alles geht gut und endlich öffnen sich die letzten Tore. Wir fahren in den Gatun-See.

Die Mooring-Bojen im Gatunsee

Die Mooring-Bojen im Gatunsee

Das Timing ist gut: In dem Moment, an dem wir an einer riesigen Gummiboje festmachen, steht eine Pasta mit Pesto und Parmesan auf dem Tisch. Unser Advisor bekommt also noch was in den Magen und die hungrige Crew macht sich gierig über das Mahl her. Wir nehmen noch ein paar wohlverdiente Anlegerdrinks und genießen die etwas mückenreiche Nacht im Süßwasser.

Am nächsten Morgen kommt der neue Advisor. Diesmal ein weniger sonniger Typ. Kein Schlepperkapitän, sondern einer der Security-Leute, die den Job nebenher machen. Der klassische Latino-Cop, wie Lukas sagt. Und der hat von der Sorte noch einige mehr gesehen als wir. Wir fahren nun etwa fünf Stunden durch den See und die künstlich ausgehobene Kanalrinne. Vorbei an Inseln, die früher Hügel waren. Vorbei an einer satten, dunklen Waldlandschaft, an Alligatoren und am neuen Wohnsitz von Manuel „Pineappleface“ Noriega, der seine Knast-Tournee nach den USA und Frankreich nun hier am Kanal zu Ende bringt. For Life, wie unser Advisor sagt.

Das am Strand ist wirklich ein Gator. Davon gabs im See eine ganze Menge

Das am Strand ist wirklich ein Gator. Davon gabs im See eine ganze Menge

Der See verengt sich dann zum eigentlichen Kanal, auf dem es schon mal eng werden kann. Wir fahren trotz des imposanten Gegenverkehrs an Backbord und den Arbeitsschiffen an Steuerbord zügig durch, um letztendlich die Pedro-Miguel- und Miraflores Locks zu erreichen.

Gegenverkehr im Panamakanal. Im Gaillard-Cut wird es manchmal eng

Gegenverkehr im Panamakanal. Im Gaillard-Cut wird es manchmal eng

Tools of the trade: Baggern im großen Stil

Beim Ausweichen lauern steuerbords diese Monster bei der Arbeit. Sie wollen aber nur spielen, sagt der Advisor

Trotz der teils erheblichen Strömung (bis zu sechs Knoten treibt es uns in die Schleuse) kommen wir problemlos durch alle Kammern und schnuppern zum ersten Mal in unser aller Leben Pazifikluft.

Loks für die Locks. Mit diesen Loks werden die großen Schiffe in den Schleusenkammern bewegt

Für Alytes gibt es keine Loks, nur vier dieser Linemaster
Für Alytes gibt es keine Loks, nur vier dieser Linemaster

Am Balboa Yachtclub setzen wir Linehandler und Advisor ab um bei Las Playitas vor der Isla Flamenco zu ankern. In Sichtweite der Lation-Metropole Panama City.

Uns erwartet noch ein lateinamerikanisches Abenteuer: Der italienische Geschäftsführer der Lagoon-Vertretung in Panama hat uns bis vor einer Woche Ersatzteile versprochen und nicht geliefert. Trotz Vorkasse. Nun planen wir, ihn mit einem ganz persönlichen Besuch überraschen und ohne Bargeld nicht wieder abzuziehen. Der Bericht folgt beim nächsten mal.

Bücher: Lonly Planet, Panama
Musik: Playlist „Netter Pop“

 

 

 

5 Gedanken zu „Reise zwischen den Ozeanen: Der Panamakanal (28.03.2015 – 29.03.2015)

  1. Norma

    Muss meine Antwort hier platzieren obwohl sie zeitlich zum nächsten Blogeintrag gehört, aber da war keine Antwortoption im Angebot. ;-(
    Also:
    Jungs! Was bin ich stolz auf Euch und Euer Provisorium!! Ihr wisst ja, nichts hält länger als ein solches. Und außerdem sieht es viel cooler aus!

    Und sehr abgebrüht durchgezogen die Geldeintreibung – ich seh schon – wir können alle noch viel von Dir lernen, Fritze.

    Sind schon sehr gespannt, was Mina von den Galapagosinseln erzählt!
    LG
    Norma

    1. Heide

      Hallo Norma, ich hatte bereits vorgeschlagen, dass wir eine neue Pimpup-my-Lagoon-Serie bei MTV starten. Da lässt sich doch noch so einiges uppimpen.. 😉
      LG von Isla Isabela (Galapagos), wir sind heute Morgen mit Pinguinen geschnorchelt!
      Heide

  2. graciela cabaleiro

    soy gachy,la mamá de esteban.Estoy emocionada y entusiasmada por la hermosa aventura que han emprendido.Sin ser navegante en todos nuestros hermosos viajes(han sido muchos)nunca he dejado de llevar mi libro de bitácora,testimonio de las experiencias vividas,por eso disfruto mucho los detalles con que acompañas las fotos.Los latinos somos muy viscerales,por eso valoro tanto el afecto con que han recibido a esteban.Sigan disfrutando de ese sueño maravilloso,que nosotros desde acá viajamos con ustedes.Un abrazo para vos y tu esposa y besitos para Mina.BUENOS VIENTOS!!!!!!!!

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