Der ungewöhnliche Südwind führt uns zwar schnell von Teneriffa nach Gran Canaria, bringt uns aber an ungewöhnliche Ankerplätze. Freak-Waves und nächtliche Flucht inklusive. Alytes will surfen.
Wir haben im Hafen von Las Galletas, Teneriffa noch zwei Tage nach der Abreise unserer Gäste (Achim, Norma und Greta) gerastet.
Zunächst wollten wir sofort los, denn es war Südwind angekündigt. Der ist eine eher seltene Erscheinung auf den Kanaren, auf denen üblicherweise der Nordostpassat dominiert. Unser Ziel Lanzarote liegt nordöstlich von Teneriffa. Für uns also eine echte Verlockung die Segel zu setzen und nordwärts zu eilen. Am Ende war uns das Wetter aber doch zu unbeständig und regnerisch. Die Wellen krachten über die Kaimauer und wir waren ganz froh, in Ruhe die Überfahrt nach Gran Canaria – unserem Zwischenziel – vorzubereiten. Auch wenn es im Zweifel eine Motorfahrt sein würde.
So haben wir dem Regen beim Deckschrubben zugesehen, dem Wind beim Fensterputzen. Drinnen mussten wir selbst Hand anlegen. In den Pausen haben wir einfach nur bei Büchern, Quatschen, Spielen, Wein und einigen Häppchen entspannt. Der Wetterbericht versprach uns derweil, dass es auch am Montag noch Südwind geben sollte. In der Nacht auf Dienstag sollte der dann auf den Nordostpassat drehen. Ganz gemächlich, mit wenig Windstärken.
Wir sind also am Montag los. Es war nicht ganz einfach. Die Damen vom Hafenbüro nahmen es mit den an der Tür versprochenen Öffnungszeiten (09:00 Uhr) nicht so genau. Gegen 09:30 schlenderte mir eine entgegen. Alles kein Grund zur Eile. Für sie. Denn wir hatten 53 Seemeilen Fahrt vor uns und wollten los. Netterweise hat sie dann verpennt, alle Tage abzurechnen und so wurden wir durch einen ordentlichen Nachlass entschädigt.
Ab 09:45 Uhr fielen die Mooringleinen ins Wasser und wir waren auf dem Weg. Die Beschleunigungzonen waren durch den Südwest-Wind verschoben und recht gnädig. Wir hatten nur rund 15-17 Konoten Wind von achtern. Tatsächlich wurde das + 10 Knoten-Versprechen für die Zonen wieder eingelöst, denn die Vorhersage war deutlich moderater ausgefallen. Wir konnten mit einem Raumschotkurs direkt auf unser Ziel zufahren. Optimales, entspanntes Segeln mit 6-7 Knoten Fahrt über Grund. Aber ein kleines Problem kündigte sich an: Der Wind war auch aus Süden, nicht Südwesten prognostiziert. Als Ziele hatten wir Puerto de las Nievas oder Puerto Sardinas ausgewählt. Wer sich auf der Insel auskennt kann sich schon denken, dass das bei Wind und Welle aus dem Süden klappen könnte. Bei Südwest steht die Welle aber direkt in beide Ankergründe. Und auf den Hafen von Nievas hatten wir nach vier Nächten in der Marina keine Lust.
Es gab ja noch die Alternative Nordküste. Einige der Abschnitte trugen so vielversprechende Namen wie Rada de Galdar, Puerto de Galdar oder Rada de Banaderos. Alles Hinweise, dass diese Plätze irgendwann mal von Schiffen als Ankergründe genutzt wurden. Auch wenn sie bei Nordostpassat natürlich vollkommen offen sein würden. Aber wir hatten ja Südwestwind. Und wir hatten unsere Optionen im nordosten an ganau diesen Wind verloren.
Es war mittlerweile 18:00 Uhr. Die Sonne begann ernsthaft, sich um Ihre Nachtruhe zu kümmern und das Licht wurde warm-orange. Ankern war nun schon nicht mehr so einfach, da man den Grund wegen der Reflektionen kaum sehen konnte. Wir rundeten das Kap am Punta Sardina. Und da war schon der Teufel los. Hier krachten die Windseen auf den alten Nordost-Schwell und dann gemeinsam gegen das Kap. Großartiger Anblick, wenn man denn nicht nach einem Ankerplatz suchern würde.
Die erste Bucht war nicht anfahrbar. Die zweite sah gut aus, da sich der Punta Galdar von süden nach nordost ins Wasser reckte und dafür sorgte, dass die Wellen aus südwest gebrochen wurden. Aber in der sicheren Südwest-Ecke der Bucht war es zu eng. Unser Echolot zeigte uns dazu noch steinigen Boden. Also etwas weiter nach osten.
Auch mitten in der Bucht gab es keine Windseen aus südwest. Aber von norden rollten drei Meter hohe Wellen an, die Ihren Ursprung irgendwo in Island hatten. Der Seegrund stieg hier von tausend auf fünfzig und dann von dort schnell auf zehn und später vier Meter. Die Flut kam gerade. In der flachen Zone bauten sich die Wellen hoch und steil auf, um mit dumpfen Grollen gegen die Küste zu stürzen. Kein leichtes Meeresrauschen sondern ein krachendes Donnern voller Druck und Infraschall. Viel davon nahmen wir eher mit dem Magen als mit den Ohren war.
Wir warfen den Anker auf zehn Meter. Hier waren die Wellen noch lang und weich. Aber das Lot zeigte uns eine Höhe von zwei bis drei Metern an. Man merkte wegen der Wellenform allerdings kaum etwas davon. Wir gaben 50 Meter Kette, denn es war noch recht windig. Setzten den Ankeralarm auf 80 Meter Radius und vielen nach einem kleinen Happen ins Bett.
Heide schlief mehr oder weniger gut bei Mina, ich hatte mit einem halben Ohr Ankerwache, schlief aber wie ein Stein. Bis dreiuhrirgendwas. Dann piepte der Ankeralarm, und das Bett fühlte sich etwas bewegt an. Mit zwei Schritten ging es nach oben, wo ich Heide traf. Der Wind hatte um 180 Grad gedreht. So lagen wir nun etwa achzig Meter näher an der Küste. Nicht mehr auf zehn Meter sondern eher bei sieben. Wir hatten das schon erwartet, nicht aber den Zustand der Wellen. Denn das Meer hatte sich wieder zurückgezogen.
Alytes wurde nun steil und schnell gehoben und sackte hinter dem spitzen Wellenberg jäh nach unten. Unsere Mägen blieben erstmal oben. Es machte den Eindruck, dass die Biester zwanzig Zentimeter hinter uns brachen. Diese Einschätzung war wohl eher der späten Stunde, dem Schlafenzug und dem düsteren Schall in der Bucht zuzuschreiben. Trotzdem: Die nächste Welle kam heran. Vor ihr zog die Ebbe das Wasser wie einen Teppich unter Alytes Rümpfen weg. Wir vielen wieder. Dann der Aufstieg. Wieder der Magen. Rüber und runter. Die Wellen brachen verdammt nah, verdamt laut und insgsamt mit einer ungeheuren Brutalität. In der Brandungszone wuchs garantiert kein Gras. Nicht mal Seegras.
Wir sahen uns kurz an. OK, ich mach den Anker, Heide die Motoren.
Selten war ich so froh, dass Alytes Ankerwinch verlässlich ist. Fünfzig Meter Kette aufzuholen dauert. Hinter mir die Brecher.
Rrrrumms.
Ich hoffte, dass Heide die Motoren gut im Griff hatte.
Rrrrummms.
Ruhig etwas nach achtern setzen, um nicht den Anker zu überholen.
Rrrrummms.
Aber auch nicht zu stark, sonst bekäme ich das Eisen nicht aus dem Wasser. Aber wie immer, war sie perfekt unterwegs.
Endlich ein lautes Knarren auf der Ankerrolle. Wir standen drüber. Noch ein Knarren. Der Anker war frei. Heide hatte es schon bemerkt und eine Vollgas-Wendung auf der Stelle eingeleitet. Katamarane und ihre zwei Motoren sind schon was Feines. Jetzt nur weg von der Brandung. Geschafft!
Ok, die Fahrt nach Osten war dann ein Kinderspiel. Etwa drei Stunden später liefen wir auf der Rade der Marina von Las Palmas ein und warfen in ruhigstem Wasser hinter einer riesigen Mole den Anker. Schlafen.
Am Ende hätten wir übrigens an dem Platz bleiben können. Der Wind hat sich zum Morgen wieder gelegt. Und wir waren nie wirklich in Gefahr. Im Grunde hatten wir genau diese Situation am Abend auch schon in Betracht gezogen: Das Wetter war präzise vorhergesagt und die Gezeiten kannten wir sowieso. Aber es ist auf dem Papier doch etwas anders als auf dem Wasser. Müde und nicht wirklich ausgeschlafen. Und dazu der Sound…
Den Ankerplatz würden wir bei Südwindsituationen trotzdem wieder nutzen. Etwas weiter draußen. Auch wenn die Bucht mit Ihrer Landwirtschaft unter Plastik keine Schönheit ist.
Musik: The Ramones: Surfin‘ Bird
Buch: Anthony Beevor, The Second World War
Hi,
ausgeschlafen?! Gratulation. Die Erfahrung zwischen Theorie und Praxis wird in der nächsten Zeit echte Seebären aus euch machen. Mama, Papa und Mina Seebär.
Liebe Grüße von den Landratten Kerstin, Sebastian und Andi.
Hej,
ja, jetzt geht es wieder. Haben heute Nacht eine schöne 18-Stunden-Tour von Las Palmas nach Playa Blanca unternommen. Teils segeln, teils motoren, kaum Welle.
Ich frage mal die Ladies, wie sie die Bärenperspektive finden ;-).
Euch liebe Grüße von Lanzarote,
Fritze und die Baggage
Hallo ihr Lieben
Wir lesen jetzt jedes Wochenende zum Frühstück euren Blog und fiebern mit. Wir sind hin und hergerissen zwischen „um gottes willen ich würde vor Angst sterben“ und „großartig, wunderbar was es alles zu sehen gibt“. Also euch noch viele schöne Abenteuer und lasst die Seele baumeln.
Meik und Vanessa
Hallo Ihr beiden,
das ist ja toll! Wir hatten uns gefragt, ob das überhaupt jemand liest 😉
Wir geben also weiter richtig Gas, damit noch ein paar gute Geschichten hinzukommen.
Euch ein tolles Wochenende und einen schönen Winter und good ol‘ Schland.
Herzliche Grüße,
Fritze