Nach Werft und verlängertem Urlaub schwenken wir gemächlich in den Weltumsegler-Modus. Doch an dessen Anfang stehen die Erprobungen von Schiff und Mannschaft.
Die letzten Tage mit Sabine, Fiene und Jörn waren wie ein kurzer, schöner Urlaub für uns. Denn sie waren eine echte Abwechslung vom Projekt „Schiffsausbau“ in Torrevieja. Nach sechs Tagen haben wir die drei in Moreira abgesetzt und uns verabschiedet. Für uns beginnt nun die See-Erprobung.
Wir wollen während des Törns entlang der südspanischen Küste feststellen, was noch fehlt, was wir noch lernen müssen, ob unsere Budgetplanung auch nur halbwegs stimmt. Letztere wird durch unseren Abstecher in die Marina von Moreira schon auf die Probe gestellt. „Leider haben wir keine Tarife für Katamarane. Wir berechnen nach Breite. Macht 94 Euro pro Nacht“ Das war schon der Discount-Satz. Wir wollten Wasser bunkern und müssen unseren Müll loswerden. Also eine Nacht. Ausnahmsweise war das Wasser bei diesem Hafen nicht inklusive. Das haben wir dann für drei Euro bei der Tankstelle gekauft.
Mina freundet sich in Moreira mit zwei Jungs an und wir quatschen mit den beiden netten Eltern Konnie und Ralph. Später am Tag treffen wir uns auf Einladung bei Ihnen, kochen gemeinsam und haben einen wirklich tollen Abend zusammen. Schule muss am nächsten Morgen etwas später stattfinden, denn wir können Mina nicht wirklich um 08:00 Uhr aus dem Bett holen, wo sie doch erst sieben Stunden zuvor hineingekrochen war.
Aber in den Tagen darauf kommen wir ins Segeln. Der Wind ist gut und wir schaffen an den Tagen große Schläge. ALYTES macht sich prima. Endlich haben wir die Gelegenheit alle Segel (Genaker und Parasailor) bei allen möglichen Windstärken und Richtungen auszuprobieren. Die gesammelten Daten füttern wir Leela, unserem Bordcomputer. Leela errechnet – zusammen mit Wetterdaten – die besten Kurse für uns. Mittlerweile haben wir alle Windstärken zwischen 5 und 20 Knoten zusammen. Ein guter Fundus für die weitere Fahrt. Und die Segelleistungen sind überzeugend: Wie schaffen immerhin noch vier Knoten bei 30° am Wind (10 Knoten) und über 8,5 bei 16 Knoten von achtern. Damit kann man schon was anfangen.
Aber es gehen auch Dinge zu Bruch: Eine Abdeckung für die Motorenbelüftung haben wir schon auf dem Weg von Ibiza nach Moreira verloren. Auf dem weiteren Weg stellt sich heraus, dass der Elektriker im Mast zwar eine neue Antenne montiert hat. Dabei hat er diese aber so nah an unseren Windrichtungsmesser (Windex) geschraubt, dass das Windex bei bestimmten Windrichtungen blockiert. Wir fühlen uns ein wenig an unsere Handwerker daheim erinnert.
Auch der bisher perfekt funktionierende Wassermacher gibt leider zunächst den Geist auf. Ich hatte bereits ein schlechtes Gefühl bei den etwas korrodierten Sicherungsschaltern für die Hochdruckpumpe. Einer davon hat sich auf der Fahrt mit Kurzschluss und Kabelbrand verabschiedet. Glücklicherweise ist das Kabel direkt durchgeschmort und hat weiteren Stromfluss verhindert. Das hätte eigentlich der Schalter machen sollen. Eine Reparatur ist unkompliziert. Zuvor konnten wir aber noch lernen, dass man die Vorfilter besser jede Woche wechselt und reinigt, sonst schmeckt das Wasser nach einer interesannten Mischung: verdorbene Eier und ranziges Abwasser.
Mina hat das mit ihrer feinen Nase sofort bei der Herstellung schon gemerkt. Es ist nun nicht so schlimm, dass wir unser Frischwassersystem erneut desinfizieren müssten. Das hatten wir nur Tage zuvor mit Chordioxid erledigt. Wirkungsvoll und einfach. Aber passend zum Jubiläum des ersten Weltkriegs auch nicht ohne Gefahren: Bei der Nasenkontrolle des Warmwasserboilers war ich wohl etwas unvorsichtig. Das hat mich drei Tage Reizhusten nach milder Chlorvergiftung gekostet.
Sonst klappt aber vieles gut. Mit dem Kurzwellenfunkgerät hören wir kontinuierlich Nachrichten von deutschen Amateurfunkern aus dem Raum Erlangen, ein Test der Sendeleistung ergab ein hervorragendes Signal. UKW und AIS laufen ohne Probleme und auch unser Satellitentelefon läuft prima. Das wichtigste: Die überraschenderweise mit wenig Stauraum ausgestattete Lagoon 400 ist nach unseren Umbauten zu einem Frachter gewachsen, ohne dass man im Wohnbereich davon etwas merken würde. Die ersten Großeinkäufe haben zwar den Toyota Prius des Taxifahrers in die Knie gezwungen, wir konnen aber alles ohne Probleme verstauen und sind nun auch für die längesten Überfahrten perfekt gerüstet.
Und wir werden ebenfalls fitter. Die Seebeine sind längst auf Manga-Länge gewachsen, Übelkeit gibt es auch bei unbequemen Schwell nicht und die Manöver laufen schnell und meist auch präzise. Mina hat Ihre Mäuse auch an das Leben auf See gewöhnt und sie krabbeln schon wie von selbst auf alle Hände, die sich im Käfig blicken lassen.
An die Schule mussten wir uns alle erst gewöhnen. Für Mina ist es neu, allein im Fokus der „Lehrer“ zu stehen. Mal kurz wegdämmern, während die Kameraden die Stunde schmeißen geht in der Bootsschule kaum. Und wir Eltern müssen uns daran gewöhnen, dass die Schule den halben Tag in Anspruch nimmt und nicht „nebenher“ läuft. Nach einer Woche des Ausprobierens kommen wir nun in allen Fächern gut voran. Auch dank der tollen Hilfe und Vorbereitung von Minas „echten“ Lehrern in Bochum. Dafür ein dickes Dankeschön!
Alles in allem also eine spannende und lehrreiche Zeit. ALYTES wird mehr und mehr zu einem echten Weltumsegelungsschiff und wir zur passenden Crew.
Die Kulisse aus Beton und Plastik, die uns die südspanische Küste dazu liefert ist dazu leider kaum ein Augenschmaus. Aber dazu in einem weiteren Posting.
Bücher: Der goldene Kompass (Mina), What Terrorists want, Electrics Afloat (Fritze)
Musik: Waldspaziergang mit Folgen, Die drei ??? Melodie, Playway Songs and Rhymes (Mina)
Wow! Da habt Ihr nach unserer Abreise ja noch einiges an Beschäftigung gehabt.
Wir drücken die Daumen, dass die wesentlichen Dinge vor der Fahrt über den großen Teich erledigt sind. Gibt es auf der anderen Seite eigentlich Ersatzteilhändler für französische Katamarane?
Nach 94 Euro sah die Marina übrigens auch aus. Aber Wasser extra kaufen geht gar nicht. Ich hoffe, es gab wenigstens Strom für Umme.
Weiterhin gute Fahrt und schöne Grüße an die Mäuse (alle vier) und den Mäusefänger 🙂
P.S.: Wäre toll, wenn Ihr irgendwie Eure Position regelmäßig posten könntet (unter „Karte/Map“ kommt derzeit nur ein Codeschnipsel).