Frohe Ostern aus dem IRTC (Ostern 2016)

Die Tage vergehen langsam, im „Internationally Recommended Transit
Corridor“. In etwas über zehn Tagen haben wir den Weg von Galle, Sri
Lanka durch den Indischen Ozean geschafft. Wir sind östlich an Socotra
vorbeigesegelt und dann am „Point B“, dem östlichen Eingang zum IRTC, in
den Korridor eingeschwenkt.

Diese „Rennstrecke“ wurde vor einigen Jahren eingerichtet, um eine
möglichst sichere Passage durch den von Piraten heimgesuchten Golf von
Aden zu gewährleisten. Entsprechend werden wir bei unserer Ankunft in
der Dunkelheit schon am Eingang des Korridors von einem Indischen
Hochsee-Patroullienboot angefunkt. Sie rufen alle drei Boote
gleichzeitig: Wer wir seien, wohin wir wollen, wie viele Leute an Bord,
Kurs und Geschwindigkeit. Unser Konvoi-Partner Tinkerbel gibt geduldig
Auskunft für alle und langsam schwenken wir auf diese „Autobahn im Meer“
ein.

Der Korridor ist als Verkehrstrennungsgebiet eingerichtet. Er führt
ziemlich genau durch die Mitte des Golfs von Aden. Im Norden der
Bürgerkrieg im Jemen, im Süden der „failed State“ Somalia mit den
abgespaltenen aber international nicht anerkannten Provinzen Somaliland
und Puntland. Das nördliche Somaliland hat eine gewisse Stabilität auf
seinem Territorium etabliert. Hier gibt es für die Abenteuerlustigen
sogar schon wieder ein Lonly Planet. Puntland war bis zuletzt noch immer
ein Hafen für professionelle Piraten.

Wir steuern auf den südlichen Rand der nördlichen, nach westen führenden
Fahrrinne ein. Segeln also so weit mittig wie es geht. Als Tinkerbel
kurz auf „den Mittelstreifen“ gerät, melden sich die Inder freundlich
und erinnern daran, dass man bitte in der richtigen Spur bleiben möge.
Wir halten uns nach diesem netten Rüffel gerade in paar hundert Meter in
dem für unsere Fahrtrichtung vorgesehenen Bereich.

Die großen Schiffe rauschen teils mit Höchstgeschwindigkeit in sehr
komfortabler Entfernung an uns vorbei. Bis zu zwanzig Knoten sind die
Schnellsten. Vermutlich haben auch sie im „Best Practice Manual“ für die
Gegend gelesen, dass noch kein Pirat bei über achtzehn Knoten Fahrt
erfolgreich geentert hat. Uns hilft das bei unserer maximalen
Geschwindigkeit von acht Knoten wenig. Meist segeln wir mit fünf bis sechs dahin.
Also heißt es wachsam sein. Ein Finger am Funkgerät und den anderen an jedem Gegenstand der geeignet ist
einem Piraten zu signalisieren, dass wir wehrhaft sind (tatsächlich hat
es hier seit über achtzehn Monaten keine Übergriffe mehr gegeben, ich
überzeichne etwas ;-).

Tagsüber bleibt alles ruhig. Über uns zieht ein japanischer Seeaufklärer
seine Runden und funkt auch uns an. Ob alles OK sei. Wir melden ein
„alles OK“. Sie tauschen sich mit dem indischen Boot über die Lage in
ihrem Segment des Korridors aus. Noch ein paar Runden, noch ein paar
Funksprüche, dann sind sie weg. Wenig später startet das indische Boot
seinen Helikopter etwa fünfzehn Meilen von uns. Netterweise werden all
Schiffe über den Einsatz informiert, so dass wir nicht überrascht sind,
als wir eine Viertelstunde später das geknatter der Rotorblätter hören.
Die Jungs haben offenbar großen Spaß an unseren Masten: Alytes wird
zuerst in großer Nähe umflogen. Ein sauberer Kreis mit der Nase zu uns.
Ein Mann an der Seilwinde filmt unseren großartig-freundlichen
Parasailor. Wir winken und geben ihnen den Daumen hoch. Alles OK. Noch
ein flyby, diesmal bekommen wir von den Abwinden des Rotors
aufgepeitschtes Wasser ins Gesicht. Die Jungs fliegen unter Mastniveau
und haben an Lärm und Geschwindigkeit offenbar so viel Spaß wie wir. Es
geht weiter um Kwispel und Tinkerbel. Wir machen Fotos und filmen den
letzten Vorbeiflug. Nachher haben wir das starke Gefühl, dass dieser
Einsatz wohl eher aus dem PR- und nicht dem Aufklärungs-Budget der
indischen Marine finanziert wurde.

In der Nacht ändert sich die Situation dann ein wenig. Wir sichten um
kurz nach elf ein kleines Boot, das wie ein Fischer beleuchtet ist. Wer
jetzt an ordentliche Lichterführung nach KVR denkt, liegt nicht ganz
richtig. Solche Lichter haben wir schon seit Gran Canaria nicht mehr
gesehen. Eher ein funzelig-gelbes Rundumlicht, daneben eine
LED-Funkelleuchte (blau-weiß-rot) und in diesem Fall eine zweite, die
von der Position an einem seitlich ausgebrachten Trawling-Geschirr
hängen könnte.

Direkt nach der Sichtung werden alle im Konvoi gewarnt. Alytes ist
bereits dran vorbei, der unidentifizierte Fischer scheint aber Kurs auf
die beiden hinteren Boote zu nehmen. Twispel meldet, dass er den Kurs
geändert habe und mehr oder weniger direkt auf den Belgier zuhält. Wie
abgestimmt ändern wir den Kurs. Die Segel werden mit großer Eile
eingeholt und wir halten mit voller Motorfahrt auf den „Eindringling“
zu. Er ändert den Kurs erneut und scheint nun eines unserer Boote zu
umrunden. Letztendlich dreht er ab und fährt in nördlicher Richtung
weiter. Wir haben den Vorfall derweil parallel als „suspicious vessel“
den Militärs gemeldet. Vermutlich nur ein neugieriger Fischer, aber wir
können zu keiner Zeit wissen, wer da tatsächlich nachts um kurz vor
Mitternacht auf uns zuhält. So bleiben wir aufmerksam und, bei
Annäherung so lange aggresiv, bis sie abdrehen. Die Fischer werden wohl
wissen, dass Boote in der „High Risk Area“ etwas nervös sind und man
besser Abstand hält.

Der Konvoi bleibt den Rest der Nacht nah beisammen. Der Wind ist ohnehin
eingeschlafen, so können wir unter Motor problemlos mit etwa einer
halben Meile Abstand weiter gen Westen laufen.

Im klaren Licht des folgenden Ostersonntags ist der kleine Zwischenfall
schon fast wieder vergessen. Wir haben ein wunderbares Osterfrühstück
(frisch gebackenes Brot, natürlich Eier, französische Dosen-Paté,
dänische Importmarmelade und australische Butter), das obligatorische
„Kitschen“ gewinnt Mina mit wehenden Fahnen. Wie auch das „Mensch ärgere
Dich nicht!“ Spiel danach. Mist ;-).

Den Tag verbringen wir wie die meisten in den Wochen der Passage:
Ausguck halten, Abstimmungen und Chats im Konvoi sowie warme Gedanken an
ein kühles Bier oder Mixgetränk nach dem Landfall in Djibouti. Unsere
Frischwaren gehen langsam dem Ende zu und wir haben nicht die größte
Freude an Dosengemüse. Wenn wir im Konvoi die Geschwindigkeit halten,
sollten wir in etwa vier Tagen dort sein. Aber der Wind ist
ausgesprochen müde, so kann es auch noch einen Tag länger dauern.

Trotz der Proviantlage genießen wir die Zeit. Europa kündigt sich mit
kalten Nächten an: Tatsächlich haben wir nach über eineinhalb Jahren die
Bettdecken wieder aus den Schränken gekramt….

5 Gedanken zu „Frohe Ostern aus dem IRTC (Ostern 2016)

  1. Jørn

    Hallo Ihr Lieben,
    Euch auch schöne Ostergrüße aus Holland. Unser kleiner und sehr sonniger Wochenendtörn hat sich unfreiwilig um einen Tag verlängert: Zwar keine Piraten, aber mittlere Windgeschwindigkeit von 45 Knoten (in Spitzen bis 53 Knoten) haben den sonst sehr holländischen Skipper verleitet, die Leinen am Kai etwas fester zu ziehen – statt sie loszuwerfen. So fiel die Rückfahrt am Ostermontag erst auf den Dienstag, was uns aber durchaus gefallen hat. Bei Windstärke 9-10 über den Strand zu laufen hatte auch etwas 🙂
    Passt weiter gut auf Euch auf – und haltet den Laser in Griffweite.
    Jørn, Sabine + Fiene

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Oh, das hört sich gut an. So viel Wind hatten wir auf der gesamten Umsegelung bisher nicht. Im „Tor der Tränen“ zum Roten Meer erwarten uns zwar 25 – 35 Knoten, aber immer schon von achtern. Wird also eher eine hübsche Rauschefahrt.
      Herzliche Grüße,
      Fritze und die Crew

  2. Gisela und Uwe

    Ihr Lieben! Es ist so schön zu lesen, dass es Euch gutgeht! Und interessant, etwas über die näheren Umstände auf der Reise durch das Piratengebiet zu erfahren! Wir werden die Infos allerdings nicht mehr verwerten: Venus ist verkauft! Liebe Grüße, Gisela und Uwe

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Verkauf! Ach, vielleicht werdet Ihr ja nach ein paar Jahren im schönen DUS wieder hibbelig und wollt los. Man weiß ja nie…

  3. Udo

    Hallo Alytes,

    Euch auch frohe Ostergrüße aus dem langsam etwas frühlingshafterem Norddeutschland. Während Ihr das nahende Europa als ungewohnte Kälte empfindet, freuen wir uns auf die nahende Wärme – ist halt alles eine Frage der Perspektive.

    Lasst Euch weiterhin gut beschützen und kommt gut im Mittelmeer an.

    LG
    Udo & Kerstin

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