Mitten im östlichen Südpazifik liegen die Marquesas. Die Inseln sind fern der üblichen Urlaubsflughäfen und werden daher kaum von Touristen besucht. In erster Linie landen hier Segler wie wir, die von der Westküste Amerikas oder den Galapagos-Inseln kommen. Die Buchten der Hauptinselorte sind gefüllt mit Langzeitzegelyachten, die sich von der Überfahrt erholen, ihren ersten Landgang nach Wochen der Seefahrt genießen und die Vorräte wieder mit frischem Obst und Gemüse füllen.
Hiva Oa – Eine Insel, die gut riecht
Nach unserer langen Überfahrt von den Galapagos-Inseln haben wir zum ersten Mal wieder Land unter den Füßen. Wir sind auf Hiva Oa angekommen, die größte der südlichen Marquesasinseln mit beeindruckend hohen, grün bewachsenen Bergen, wovon einige über 1000 m hoch sind.
Die Gärten sind voll mit Obstbäumen, an denen riesige, süßlich schmeckende Pampelmusen, Brotfrüchte, Mangos oder auch Maracujas hängen (von Bananen und Kokosnüssen ganz zu schweigen). In der Landschaft stehen blühende Frangipani- und Hibiscus-Bäume, die einen herrlichen Duft verstreuen. Unser erster Eindruck als der Anker gesetzt war: Die Insel riecht aber toll!
Auf Hiva Oa leben gerade mal 2000 Einwohner, und die meisten davon in der Hafenstadt Atuona. Die Polynesier sind ein sehr entspanntes Volk und die Uhr tickt hier etwas langsamer als gewohnt. Jeder ist hilfsbereit, wenn man fragt und sehr nett. Aber die Freundlichkeit schwenkt nicht über in Offenherzigkeit oder sogar Aufdringlichkeit den Fremden gegenüber, wie wir es teilweise von Mittelamerika gewohnt waren. Man scheint lieber unter sich zu sein. Fast ein bisschen Norddeutsch, denke ich mir. 😉
Das dritte Geschlecht
Restaurants oder Cafés sind hier Mangelware. Auf dem etwas längeren Weg vom Hafen zum Ort finden wir ein kleines Restaurant, zu unserem Glück stellt die nette Frau gerade das Langnese-Schild auf, als wir vorbei laufen. Aber Moment mal, das ist ja irgendwie keine Frau, oder doch?? Wir hatten bereits gelesen, dass es hier so eine Art „drittes Geschlecht“ gibt. Hierbei handelt es sich um Männer, die als Frauen erzogen wurden und sich auch entsprechend kleiden. Der Hintergrund ist häufig, dass in der Familie bereits zu viele Jungen geboren wurden und es daher an einer Hilfe im Haushalt fehlt (klare Rollenverteilung), somit wird ein Junge dann bereits von klein auf als Mädchen erzogen. Dieses dritte Geschlecht ist in der Gesellschaft voll akzeptiert und die Betroffenen führen ihre Rolle im Erwachsenenalter wie selbstverständlich fort. Für uns Europäer erscheint die Lösung irgendwie etwas fremd. Freizeitbeschäftigungen gibt es hier für Kinder übrigens kaum, der Nachmittag vieler Kinder verläuft damit, dass sie nach der Schule nach Hause gehen und dort helfen… die Mädchen der Mutter im Haushalt und die Jungs dem Vater beim Fischen, Jagen oder auch bei Reparaturen.
Wir verdankten dem dritten Geschlecht übrigens ein herzlich geführtes Restaurant mit toller Pizza und grandioser Mousse au Chocolat. Wie es scheint, auch das einzige Restaurant weit und breit und damit ein beliebter Sammelpunkt für Segler. Da es bis zum Hafen zu Fuß locker 20 Minuten sind, bietet das Restaurant sogar einen Fahrservice an. Da kommt man doch gerne wieder.
Ausritt auf der Hochebene
Auf den Marquesas gibt es recht viele Pferde, da viele Wege mit dem Auto schlecht oder gar nicht passierbar sind. Es scheint fast, dass jeder ein Pferd im Garten stehen hat, nur mit einem Pflock festgebunden und grasend. Fast wie bei Pippi Langstrumpf. Man erzählt uns, dass Kinder hier kein Fahrrad bekommen, sondern ein Pferd.
Wir nutzen die Gelegenheit und gehen reiten. Auf Hiva Oa gibt es eine Hochebene mit einer Pferde-Ranch. Wir werden am Hafen morgens abgeholt und dorthin gefahren. Paco führt die Ranch und nach einer kleinen Einweisung, wie man die Pferde reitet geht es auch schon los. Unterwegs gibt Paco noch ein paar Tipps und schon geht es auch im Trapp und manchmal sogar im Galopp weiter. Ganz schön aufregend, schließlich sind wir ja alle keine erfahrenden Reiter. Die Tour führt durch wunderschöne Kiefernwälder, Efeulandschaften und entlang der Bergabhänge von Hiva Oa. Wir genießen den wunderschönen Ausblick über das gesamte Tal bishin zum Hafen. Nach zweieinhalb Stunden sind wir wieder bei der Ranch. Mina ist ganz traurig, dass es schon vorbei ist und bei mir macht sich bereits der erste Muskelkater bemerkbar, Reiten erfordert doch andere Muskeln als Segeln. Wir werden auf der Ranch herzlich von Pacos Frau empfangen, die bereits eiskalten Pampelmusensaft vorbereitet hat. Die Pampelmusen hier, sind so was von lecker! Sie sind riesig groß und süßlich, gar kein Vergleich mit den sauren Dingern, die man aus Deutschland kennt. Die Bäume stehen hier überall und sind gerade mal so groß wie kleine Apfelbäume bei uns in Deutschland. Mit den dicken Pampelmusen daran wirkt das Baum-Frucht-Verhältnis etwas unproportioniert.
Marathon auf Hiva Oa
Nach dem Reiten werden wir von unseren beiden Mitseglern Lucas und Esteban im Mietwagen abgeholt. Wir fahren quer über die Insel bis in den Norden. Die Straßen sind anfangs noch guter Asphalt, das ändert sich dann nach dem Flughafen aber schnell und wir sind auf Schotterpisten unterwegs. Die Mietwagen hier sind übrigens ausschließlich mit 4-Radantrieb ausgestattet, wofür wir etwas später dankbar sind, als die Piste als fast einspurige Serpentine an der Nordküste ohne Leitplanke entlangführt. Der Ausblick ist grandios!
Unterwegs fallen uns kleine Schilder auf, die in regelmäßigen Abständen am Straßenrand stehen. Es sind die Kilometerschilder für den Marathon, der hier am nächsten Tag stand finden soll. Zufälligerweise genau die Strecke, die wir im Auto bequem auf und ab fahren. Nach etwas mehr als 40 km sind wir am Ziel, einem kleinen Ort im Nordosten der Insel. Aber kann das gerade tatsächlich die Marathonstrecke gewesen sein? Wir kennen derartige sportliche Events nur auf ebenen Straßen, Düsseldorf gilt schon als schwierig, weil man eine Brücke hoch und runter laufen muss. Hier aber müssen die Läufer Höhenunterschiede von fast 1000m überwinden und mehrmals hoch und runter und dabei über viele steinige Rumpelpisten laufen. Wahnsinn, denken wir uns, wer macht da wohl mit? Wie wir dann erfahren, gibt es ca 40 gemeldete Läufer, unter anderem einen 16jährigen Jungen, den wir an einem archäologischen Aussichtspunkt kennen lernen. Wir sind voller Respekt. Entlang der Strecke werden mit Palmenblätter und Ästen Stände gebaut, teilweise hängen bereits ganze Bananenstauden daran. Alles wird mit Blumen und Blättern nett geschmückt und für das Fest wird bereits mit den hier typischen Trommeln geübt.
Wir entschließen uns, einen Tag später erst unsere Reise zur nächsten Insel fortzusetzen um von dem großen Marathonlauf etwas mitzubekommen und erwarten entsprechend ein großes Fest. Und tatsächlich sind am Tag des Laufes Stände aufgebaut, u.a. werden dort herrliche Pommer Frites mit Fleischbeilage verkauft. Eine Portion heißt hier übrigens, dass man 4 Steaks auf die Pommes bekommt und nicht nur eins (so langsam wird uns klar, warum die meisten Marquesas nicht zu den schlanksten Menschen gehören). Generell scheint der Lauf aber eher nebensächlich statt zu finden. Zwar gibt es neben den Ständen Wegposten und Polizisten, die den Verkehr regeln, aber es gibt keine Zuschauer, keinen, der den ersten Läufern, die hier ins Ziel kommen, zujubelt. Jeder geht seinem Alltag nach als wären die Läufer gar nicht da. Nachdem wir unseren Respekt den Läufern gegenüber durch ordentlichen Beifall gezeigt haben, sind wir mit unserer Pommes mit Fleischbeilage zum Boot zurück, haben es uns gut schmecken lassen und haben uns auf den Weg zur nächsten Insel gemacht.
Auf Samoa lernten wir, dass die Erziehung von Jungs zu Mädchen wegen der großen Mädchenlosen Familien nur eine Legende sei, die erst den Touristen erzählt wurde und nun von ihnen perpetuiert wird.
Die Fa’afine (so nennen sie sich in Samoa) sind eher intersexuell, zwischen den binären Geschlechterkonzepten.
Wikipedia schreibt da einiges interessantes zu:
https://en.wikipedia.org/wiki/Fa%27afafine
Da müsst Ihr gar nicht so weit fahren. In Köln gibt’s jede Menge Kneipen von Männern, die gerne Kleid tragen. Und die sind auch gesellschaftlich akzeptiert 😉
Liebe Grüße aus der Heimat rüber ins Paradies.
P.S.: Der Skipper soll mal seine E-Mails beantworten…
In Köln sieht man allerdings nur selten welche, die gerade „ihre“ Babies im Arm halten und mit einer Flasche füttern… naja, und so gute Pampelmusen gibt es da auch nicht 😉 GREETS!