Nachdem die Ursachen für unsere kleinen Herausforderungen im Mastkopf
gefunden wurden, segeln wir mit beständigen Passatwinden gen Südwest. An
Bord hat sich eine ruhige, pazifische Routine eingestellt.
Mina geht Riesenschritte in Richtung des Schuljahresendes, Lucas und
Esteban haben im Backgammon mit hohen Einsätzen (etwa: der Verlierer
macht den Abwasch, der Verlierer muss den gerade entdeckten jedoch vier
Tage alten fliegenden Fisch vom Netz ins Wasser befördern) einen
Zeitvertreib gefunden. Immer wieder hören wir die Schreie desjenigen,
den die Würfel gerade hart bestraft haben.
Die Bordmäuse freuen sich an dem frisch gereinigten Käfig, sind aber ein
wenig überrascht, als sie rüde von einem Schwall einbrechenden
Seewassers an ihre Umgebung erinnert werden. Esteban hatte vergessen
Minas Luke zu schließen, als er einen Eimer über das Deck ausleerte.
Übermotiviert nennen Fußballkommentatoren das wohl beim Kicken. Schön,
dass sich zumindest einer so ins Deckschrubben hereinsteigert.
Die See bringt uns dagegen selten Wasser an Deck. Zwar sind für morgen
Wellen von knapp vier Metern vorhergesagt, aber bisher sehen wir davon
nichts. Es sind eher die üblichen zweieinhalb.
Der Mond ist zur Zeit hell und fast voll. Auch die Nachtwachen sind
daher angenehm zu segeln. Gestern hatten wir dazu wieder einmal das
seltene Glück, nachts von Delfinen begleitet zu werden. Ihre schnellen
Manöver ziehen leuchtende Spuren durch das mit luminiszierendem Plankton
satte Wasser; bei jedem Ausstoß von Atemluft eine kleine, blaugrüne
Explosion im Wasser. Großartig.
Dann auch immer wieder mal nächtliche Gäste an Bord. Neulich hatte eine
unaufmerksame Möwe unser Vorsegel erwischt und ist überrascht auf das
Netz gestürzt. Netterweise hat sie sich dazu auch noch erbrochen. Wir
fanden zu den üblichen frischen fliegenden Fischen auch einen weißlich
anverdauten aus dem Kropf des Tieres. Aber wie wir im Ruhrgebiet sagen:
Gut gekotzt ist halb gefrühstückt. Die Möwe war nach zwei Stunden wieder
fit und hat uns vor Sonnenaufgang wieder verlassen.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten beim Angeln geht es mittlerweile
recht gut voran. So gab es in den letzten Tagen bereits dreimal Fisch.
Meist beißen schillernd-goldene Doraden, wir hatten aber auch schon
einen kleinen Wahoo am Hagen. Zu klein zum Essen leider, so ließen wir
ihn wieder frei.
Nun segeln wir zur Zeit auf Position 7°21.680’S und 112°10.558’W bei
vierzehn Knoten Wind mit sechseinhalb bis sieben Knoten durch den
Pazifik. Warum so langsam? Nachdem wir uns sicher sind, dass erneut
durch einen Schäkel hervorgerufene Grate am Mastkopf unser Großfall
durchsscheuern, haben wir uns entschlossen, die ersatzweise Dirk als
Großfall einzusetzen. Sie wird durch eine andere, unbetroffene Rolle, im
Mast geleitet. Da sie aber nicht, wie unser Großfall, als Flaschenzug
geführt wird, wollen wir das Großsegel nur im dritten Reff fahren. So
verhindern wir, dass zu viel Last auf die Dirk wirkt und wir sie
gegebenenfalls auch verlieren. Zur zeit führen wir demnach unseren
Genaker und das Großsegel im dritten Reff. Je nach Wind bringt uns das
zwischen sechs und acht Knoten. Genung, um in der geplanten Zeit mit
genug Proviant und Wasser unser Ziel zu erreichen. Der Bordcomputer
weissagt uns etwa noch zehn Tage bis Hiva Oa.