Atlantiküberquerung (16.11.2014 – 19.11.2014): Mit dem Ozean leben lernen

Wir hatten einen – sagen wir – sicheren Start über die Ziellinie. Da die
Hälfte der Crew weder Boot noch Segel kannte, haben wir uns an der Linie
etwas zurückgehalten und sind etwa am Anfang des hinteren Drittels über
Start gesegelt.

Es folgten einige schöne Stunden. Vor dem Wind sind wir unter Parasailor
(unserem Lieblingssegel) in Richtung Süden gefahren. Die Winde, die uns
in den nächsten Tagen erwarteten waren allerdings für Alytes wenig
nutzbar. Schwach und vor allem von vorn. Gleichzeitig drohte uns im
Süden eine ausgewachsene „West-Schwachwindzone“, in die wir auf keinen
Fall geraten wollten.

Unsere noch immer recht wirksamen Land- und Job-Instinkte trieben uns
unter Motor gen Westen, südlich von El Hierro. Wir bewegten uns zwischen
Regen und Traufe: Entweder viele Tage bei der Überfahrt verlieren oder
mindestens die Hälfte der Dieselvorräte aufs Spiel setzen. Wie schon
zuvor beschrieben, haben wir das Spiel gewählt. Spaß hat es nicht
gemacht. Mit fünf Knoten gegen den Wind, um eine günstige Wetterzone zu
erreichen. Eine hohe Welle prügelt Alytes durch. Wenn die Wellen
zwischen den Rümpfen unter das Boot krachen, scheint es als sei Poseidon
persönlich mit dem Vorschlaghammer am Werk. Der Salon wirkt wie ein
Klangkörper. Wir fühlen uns gelegentlich wie eine Horde Ameisen in der
Bass-Drum von Metallica. Heide und ich werfen uns einige verstohlene
Blicke zu und zucken bei jedem Schlag ein wenig zusammen.

Ich bin in diesen ersten Tagen vollkommen rastlos. Denn das
Diesel-Invest könnte uns später teuer zu stehen kommen. Brauchen wir
doch immer etwas Diesel, um unsere Batterien aufzuladen und den
Wassermacher zu betreiben (zur Beruhigung: Wir haben 600 Liter Wasser im
Tank und nochmals 230 Liter Trinkwasser in Flaschen, werden also nicht
verdursten). Und die nächste Flaute kann uns 1.000 Seemeilen vor dem
Ziel erwarten.

Aber der Regatta-Kontext und die Gewohnheit an Land eben alles zu einer
Zeit zu erreichen, die man weitgehend selbst wählt, nagt auf einer
Seite. Auf der anderen zehren die Risiken, die sich durch geringen
Dieselvorrat realisieren könnten.

Erst später realisiere ich, dass das alles Quatsch ist. Im Zweifel
hätten wir eben einen oder zwei Tage in windarmen Regionen gewartet. Die
Welt hätte sich weitergedreht und wir wären auch ohne schlaflose Nächte
angekommen. Wir sind eben Segler, wie Heide so schön zu sagen pflegt.

Und die Crew? Heide ist wie immer gelassen. Mina langweilt sich, da die
Erwachsenen entweder müde oder beschäftigt sind. Für sie waren in den
ersten Tagen Ferien. Ingo nervt es höchstens, dass die schönen Segel
dieses Bootes nicht genutzt werden und statt dessen der Motor knattert.
Janne findet sich, trotz des Lärms der Wellen in seiner Kabine, schnell
ins Seglerleben ein. Am Steuer ist er ein echtes Naturtalent. Anders als
die meisten Menschen, hat er die Prinzipien des Katamaransegelns mit
seiner Motorboot- und Pilotenerfahrung in wenigen Stunden im Griff. Die
Stunden auf einem Race-Katamaran haben vermutlich auch geholfen. Oder es
sind einfach seine Åland-Gene.

Am Ende erreichen wir die „günstigen“ Wetterzonen. Mit Windstärke sechs,
in Böen sieben, rasen wir Richtung Süden.

Bücher: Keine (es ist zu aufregend)
Musik: Keine (es ist zu laut)

PS: Leider können wir während der Fahrt keine Fotos hochladen
PPS: Wir sehen Eure Kommentare zur Zeit nicht, da wir nicht per Browser
surfen können. Wenn wir ankommen antworten wir mit Freude auf jedes
Posting.

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