Vielleicht hätten wir zumindest eines der „Richtig Schrumpfen“ Kapitel in einem der vielen „Richtig Scheitern“-Bücher lesen müssen. Vor allem in den Jahren nach der Finanzkrise in 2008 hatten diese kleinen Ratgeber hohe Konjunktur: „Die Kunst des Scheiterns“, „Das Donald Duck Prinzip“, „Schöner Scheitern (für Frauen) etc. Mussten doch Heerscharen von Investmentbankern ihre Häuser im Speckgürtel von Frankfurt räumen, ihre Boote verkaufen und ihre Remisen von überzähligen Autos befreien. Auch wenn die Ursache für unsere kleine Tortur eine andere war – möglicherweise hätte uns die Lektüre auf das, was kommen würde, etwas vorbereitet.
Wir haben unseren Lebensraum in weniger als zwei Wochen von zweihundert auf zwanzig Quadratmeter verkleinert. Darin sollten wir noch weitere drei Wochen wohnen. Unser Plan, einfach viel Zeit im Garten zu verbringen, wurde durch die Realität des Sommers 2014 zunichte gemacht.
In dem Moment, als wir aus dem Fenster unseres einzig verbliebenen Raums auf die kontinuierlich nassgeregnete Sitzgarnitur im Garten schauten, erinnerte ich mich an dieses grandiose Zitat: Eine Strategie ist immer so lange robust, bis man zum ersten Mal auf den Feind trifft. In unserem Fall war der wohl einfach das Wetter Bochum, der schönsten Stadt der Welt.
Drinnen hatten wir zu diesem Zeitpunkt keine Stühle, keinen Tisch aber drei verschiedene Baugewerke im Haus. Auf der leergezogenen Fläche und auch in unserem verbleibenden Zimmer. Das Ganze sollte noch drei Wochen so bleiben. Wir haben unsere Handwerker jedenfalls gut kennengelernt.
Im Vorfeld hatten wir unseren Hausstand für die Einlagerung vorbereitet. Was uns noch bevorstand war der Transport der wesentlichen Gegenstände in Richtung Spanien. Dort wollen wir sie Ende Juli an Bord von Alytes nehmen.
Nach vier, fünf Tagen, die wir entweder stehend oder liegend verbrachten, machte sich gewisse Zermürbung breit. Denn nur in diesen Positionen konnten wir fünf Jahre Hausverwaltung aufbereiten, Rechnungen schreiben, Rechnungen zahlen, Verträge kündigen, aus Vereinen austreten, amtliche Abmeldungen vorbereiten, Medikamente für zwei Jahre Abgeschiedenheit sortieren etc. Die vierzigjährigen Rücken begannen sich zu beschweren. Heides Knie zwickte und der Dauerregen spülte langsam und beständig die gute Laune aus unseren Gemütern.
Wir waren froh, was wir alles geschafft hatten. Wir waren verblüfft, wie schnell wir uns, mit dem Ziel der Weltumsegelung vor Augen, plötzlich von so viel Ballast trennten, den wir in den zehn Jahren zuvor mitgeschleppt hatten. Nicht so sehr, weil wir nicht auf ihn verzichten konnten, sondern eher weil so viel Platz uns offenbar ein wenig entscheidungs- und trennungsfaul gemacht hatte.
Eigentlich war es keine Überraschung, dass wir auf den zwanzig verbleibenden Quadratmetern praktisch genauso gut lebten wie zuvor auf den zweihundert (fehlenden Stühle wollen wir an dieser Stelle ignorieren). Die Erinnerung an unsere Studentenbuden war schließlich noch nicht im Nebel der Demenz verblasst. Aber am Ende haben wir uns doch stolz und ein wenig verwundert angesehen, was da so alles schmerzlos zurückbleiben konnte.
Ein paar Fakten: Zwei Kombi-Ladungen voll mit Hausrat und Spielzeug für die Tafel in Bochum zehn Säcke Altkleider – darunter einer, der mit einer Ghillie-Suit gefüllt war -, fünf Kisten Elektroschrott, eine umfangreiche Sperrmüll-Sammlung, fünf Festmeter VHS-Videos (schmerzhaft), zehn Säcke Hausmüll mit nutzloser Keramik (wer sammelt nicht die Übertöpfe der vielen Orchideen, die sicher irgendwann wieder Blüten treiben werden?) und irgendwelchen Sachen, an Die ich mich schon jetzt nicht mehr erinnere, 50 Aktenordner mit Unterlagen vergangener Projekte (bis 2002 zurückreichend), über 2.000 Euro an eBay-Versteigerungen und ein 3,5 Tonnen-Lieferwagen mit allem möglichen Schrott.
Wenn die nächste Bleibe also bei gleichem Garten statt zweihundert nur sechzig Quadratmeter haben wird, werden wir kaum Probleme bekommen. Ok, plus 16 für ein Gästezimmer.
Die Aussicht auf unsere Alytes hat bei all der Knochenarbeit als wirksames Mittel gegen die Wettertrübheit gewirkt. Und die Freude über neue Erkenntnisse zu Psychologie und Wesen des deutschen Mannes am Recyclinghof. Aber das ist eine andere Geschichte, die vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt erzählt werden wird.
Lessons learned, best practices?
- Du hast immer zu wenig Umzugskartons. Kaufe sie nicht beim Baumarkt sondern im Netz.
- Mietest Du ein Transporter für Umzug oder Müllfahrt, nimm immer eine Größe über der, die Du geplant hast
- Setze Dir harte, frühe Deadlines für die Fertigstellung. Du reißt sowieso jede einzelne, aber es ist besser, wenn Du es nach zwei Wochen merkst und nicht erst nach fünf. Lass Dir ein Puffer von mindestens drei Tagen vor dem wirklich allerletzten, unumstößlichen Abreisetermin
- Mehr als ein Hobby bringt dich spätestens beim Umzug um. Sammle vor allem keine Briefmarken, lass die Finger von Münzen
- Wenn ein Handwerker sagt „alles gut!“ ist das aus seiner Perspektive nicht gelogen. Aus Deiner ist es eine Katastrophe
- Wenn Du Dich hinlegst, schläfst Du ein
Ein paar Bilder:
oh no, die schicken Weinkisten sind wahrscheinlich Psychologie und Wesen deutscher Männer auf dem Recyclinghof zum Opfer gefallen?
Ich könnte diese traurige , erinnerungsreiche Abschiedsarbeit nicht vollbringen . Mein Reduktionsfaktor würde noch ungünstiger ausfallen 230m² zu 11 m² im WoMo ( alternativ zu der letzten Kiste < 0,5m³ ) .
Selbst die 11m² beim Wohnmobil reichen aus , wenn man die schöne Natur als Raum mit nutzen kann .
Weiterhin alles Gute , Manfred